Datenschutzkonformes Online Marketing
Retargeting / Analytics / Cookieless Tracking
Eine Bestandsaufnahme zum Ende der Third-Party-Cookies
Derzeit wird viel orakelt, wie Online Marketing ohne Third-Party-Cookies aussehen könnte. Vor allem im von Retargeting-Mechanismen getriebenen Performance-Marketing herrscht Endzeitstimmung. Aber manchmal ist ein erzwungener Wandel auch ganz heilsam und setzt neue kreative Energien frei.
2023 geht eine Marketing Ära zu Ende
In diesem Jahr heißt es endgültig Abschied nehmen von Third-Party-Cookies – auch Googles Chrome Browser wird als letzter die lange Zeit bestimmende Tracking-Technologie einstellen. Aber war es wirklich eine so geniale Idee, den Nutzer kreuz und quer durchs Web zu tracken und ihn mit dem soeben erworbene Produkt noch Wochen später zu konfrontieren? Ist es förderlich für das Markenimage, wenn der Kunde sich geradezu gestalkt fühlt? Und sind solche Überlegungen nicht schon länger obsolet, angesichts von Ad-Blockern, Browser-Tracking-Protection und strengen Vorgaben zu Cookie-Bannern und User-Consent?
Spätestens seit Inkrafttreten der Datenschutz Grundverordnung (DSGVO) sind wir Marketeers zu Transparenz verpflichtet – was nichts anderes heißt, als dem Kunden das zu geben, was er auch wirklich haben will: Guten Content, der echten Mehrwert bietet, gute Geschichten rund um Marke und Produkte. Und neben Targeting und bezahlter Reichweite - man traut es sich kaum zu sagen - ist auch der organische Aufbau von Communities wieder en vogue.
Schauen wir doch mal ganz nüchtern auf die Fakten.
Was im Online Marketing künftig nicht mehr geht
Cross-Channel-Targeting via Browser-Cookies: Wenn eine Website zu Performance-Zwecken ein Session-Cookie beim Nutzer setzt (First-Party), ist das auch weiterhin ok. Nicht mehr zulässig ist es hingegen, wenn ein externes Marketing- oder Analyse-Tool ein Cookie setzt (Third-Party), um den Websitebesucher an anderer Stelle im Web wiederzuerkennen.
Der Aufbau spezifischer Retargeting-Audiences: Im absatzorientierten Performance-Marketing ist es nur schwer vorstellbar, dass man künftig keine spezifischen Zielgruppen mehr adressieren kann, basierend auf dem Nutzerverhalten im eigenen Shop (Product-Views, Warenkorbabbrecher, Käufer, etc.). Aber wie schon erwähnt - der obligatorische User-Consent sorgt hier schon länger für eine abnehmenden Effizienz und zwingt Shop-Betreiber zum Umdenken.
Was auch weiterhin geht
Search Ads: Der Klassiker im Online Marketing, Google (oder Bing) Suchanzeigen, adressieren Nutzer ausschließlich anhand ihrer Suchintention. Dieses ebenso transparente wie effiziente Marketingtool bleibt auch weiterhin datenschutzrechtlich unproblematisch.
Targeting im Google-Display-Netzwerk, basierend auf Keywords und Topics: Auch Banner- und Videowerbung auf Webseiten Dritter oder in spezifischen YouTube-Channels wird es weiter geben. Das Targeting erfolgt hier auf kontextueller Ebene (Keywords und Topics der Zielseite) oder bei Youtube durch gezielte Placements in ausgewählten Channels.
Retargeting in geschlossenen Netzwerken (Facebook, Instagram & Co.): Wer sich in eines der gängigen Social Networks einloggt, lässt per AGB jegliche Datenschutzhoffnung fahren und wird sich auch nicht wundern, wenn hier weiterhin die bekannten Tracking-Mechanismen gelten. Auch wenn es gerade bei den berüchtigten Targetingmöglichkeiten der Facebook (jetzt “Meta”)-Netzwerke immer stärkere Einschränkungen gibt, z.B. hinsichtlich religiöser oder politischer Gesinnung, sexueller Orientierung, usw., kennen diese Netzwerke ihre User nach wie vor sehr gut und können entsprechend effizient zielgruppenspezifische Werbung ausspielen.
Was künftig im Online Marketing an Bedeutung gewinnen wird
Contextual Targeting (vs. Audience Targeting): Während wir bislang Nutzer aufgrund von Aktionen in der Vergangenheit getrackt haben, wird künftig die Herausforderung sein, sie auf Grundlage dessen zu adressieren, was sie JETZT gerade tun. Neben Google arbeiteten derzeit auch zahlreiche andere Advertiser und CRM Plattformen an Technologien, die eine kontextbezogene Platzierung von In-Stream-Videos oder Bannern auf den Webseiten der Werbepartner ermöglichen soll.
Logged-In-Users: Nichts ist wertvoller, als die Kontaktdaten eines Nutzers - i.d.R. die Email-Adresse - zu besitzen. Der Klassiker, Lead-Generierung via Newsletter, scheitert jedoch häufig mangels spannender Inhalte und erkennbarer Benefits für die Abonnenten. Hier kommt man ohne übergreifende Content-Strategie nicht weit. Gleiches gilt für Gated Content, also die Bereitstellung von Premiuminhalten (Video-Content, White Paper, etc.) im Gegenzug für eine Registrierung.
Kohortenbasiertes Targeting: Hier zeichnen sich bislang nur sehr vage Ansätze ab. Google arbeitet mit der “Privacy Sandbox” schon länger an einer Browser-gestützten und mit anonymisierte Kohorten arbeitenden Ad-Tech-Lösung. Die Entwicklung der neuen FLoC Technologie (Federated Learning of Cohorts) wurde kürzlich mangels DSGVO-Konformität eingestellt. Das Nachfolge-Projekt FLEDGE, an dem auch Ad-Tech-Firmen wie Criteo beteiligt sind, geht gerade in die erste Developer-Testphase, dürfte aber auf ähnliche Datenschutzbedenken stoßen. Auf Cookies zu verzichten, bedeutet eben nicht automatisch, datenschutzkonform zu sein. Weiterhin bleibt fraglich, ob eine solch monopolistische, nur auf den Chrome-Browser zugeschnittene Variante, tragfähig ist.
Organisches Community-Building: Auf die anfängliche Social-Media-Euphorie der späten 2000er Jahre folgte schnell die ernüchternde Erkenntnis, dass sich mit ein paar gelegentlichen Posts keine dauerhafte Reichweite mehr erzielen lässt und folglich in bezahlte Reichweite investiert werden muss. Das mag für Facebook auch weiterhin gelten. Auf Kanälen wie Instagram oder LinkedIn (im B2B Bereich unerlässlich) lässt sich jedoch mit einem fundierten Verständnis der Algorithmen und einer guten Content-Strategie mittel- und langfristig eine wertvolle Community aufbauen. Bezahlte Reichweite sollte auch weiterhin flankierend eingesetzt werden, im Mittelpunkt jedoch stehen immer die Inhalte.
Cookieless Tracking: Die Analyse des Nutzerverhaltens ohne Browser-Cookies macht den lästigen User Consent überflüssig und ermöglicht die nahezu hundertprozentige Erfassung aller Nutzerdaten. Dies ist schon jetzt möglich, am einfachsten mit dem DSGVO-konformen Analysetool Matomo oder bei Google Analytics durch eine Modifikation am Tracking Skript. Da jedoch 2023 das beliebte Universal Analytics eingestellt wird, stellt sich die Frage, ob man auf den eher sperrigen Nachfolger Analytics 4 umsteigt, oder nicht gleich neue Wege beschreitet.
Fazit: Strategie und relevanter Content werden im Online Marketing noch wichtiger
Es ist vieles im Umbruch, aber bislang wenig konkret. Was sich jedoch abzeichnet ist, dass eine übergeordnete Strategie, viel Trial-and-Error und – mehr denn je – guter Content die Gebote der Stunde sind. Wir werden in den kommenden Monaten hier und auf LinkedIn von unseren eigenen Erfahrungen berichten und freuen uns auf einen regen Austausch auf dem Weg das nächste Marketing-Zeitalter.